Seit fast vier Monaten entwickeln Tobias Hößl und ich Meine Stadt Transparent (Demo, GitHub). In diesem ersten Blogpost geht es darum, wie es dazu kam und warum wir dieses Projekt machen. Im zweiten Teil wird es dann um das eigentliche Projekt und dessen technische Details gehen.

Aktenstapel, CCO, https://pixabay.com/de/dateien-papier-b%C3%BCro-papierkram-1614223/

Stadträte, Beezirksausschüsse und Gemeindräte produzieren seit langem große Mengen Papier. Der Münchner Stadtrat und die 25 Bezirksauschüsse allein haben bespielweise im Jahr 2015 wurden über 15.000 Dokumente mit mehr als 64.000 Seiten veröffentlicht.1 Um der großen Anzahl an Dokumenten Herr zu werden hat man in den 2000ern einen großen Teil der Stadtratsverwaltung digitalisiert. Dazu wurden spezielle Webportale gebaut, die Ratsinformationssysteme genannt werden. Während Städte besonders in der Anfangszeit auf Eigenentwicklungen oder Spezialanfertigungen gesetzt haben, haben sich mittlerweile fertige Systeme und eine handvoll Anbieter etabliert. Durch solche fertigen Systeme setzen mittlerweile auch immer mehr kleine Kommunen oder Kommunalverbände ein Ratsinformationssystem ein.

Deren öffentliche Oberfläche ist oft die einzige Möglichkeit, an wichtige Dokumente zu kommen. Die Angelenheiten des eigenen Stadt- oder Gemeinderats betreffen eine mehr, als man oft erwartet. Dort wird z.B. jegliche Bauvorhaben, Schulen und Kitas, den ÖPNV sowie Unterstützung für eine Vielzahl von Vereinen und Initiativen entschieden. Leider sind die Webseiten als Informationsquellen für Bürger nicht zu gebrauchen: Die Oberflächen sind völlig veraltet, voll mit bürokratischen Fachbegriffen und außerdem voller technischer Fehler. Das größte Problem ist jedoch meisten das Fehlen einer Suche, mit der man etwas findet. Durch diese Probleme werden viele wichtige öffentliche Dokumente für die Öffentlichkeit faktisch unzugänglich.

Das Problem haben Leute in verschiedenen Städten erkannt und versucht, auf eigenen Faust und fast immer ohne Unterstützung der Verwaltungen bessere Webseiten zu bauen. Diese Arbeit fand zu großen Teilen unter dem Dach der Open Knowledge Labs statt. Leider sind die meisten dieser Projekte nie fertig geworden und irgendwann eingeschlafen. Zwei Projekte waren jedoch erfolgreich und existieren bis heute.2

Das eine ist Politk bei Uns, welches ursprünglich 2012 als Plattform für das Ruhrgebiet veröffentlicht wurde.3 Mittlerweile kann man unter anderem die Dokumente für Köln, Bochum und die Berliner Bezirke durchsuchen. Das Hauptziel ist es, möglichst viele Städte durchsuchbar und damit für Bürger (insbesondere auch über google und co.) zugänglich zu machen. Die offiziellen Daten werden automatisiert aufbereitet, indem z.B. der Text aus pdfs extrahiert wird und Adressen erkannt werden. (Von Politik bei Uns wird mittlerweile Version 2 entwickelt. Aber das ist eine eigene Geschichte.)

Das andere Projekt ist München Transparent. Angefangen hat es als eine bessere Oberfläche für das münchner Ratsinformationssystem, die wie Politik bei Uns die Daten aufbereitet und durchsuchbar macht. Dort werden aber nicht nur nicht alle Daten des offiziellen Systems abgebildet, sondern auch zusätzliche Informationen wie Verordnungen, verständliche Erklärungen und Geodaten. Der Clou des Systems sind jedoch die Benachrichtigungen, die Nutzer per E-Mail informieren, wenn es in seiner Umgebung oder zu von ihm abonnierten Themen Neuigkeiten gibt.

Der größte Teil wurde Tobias Hößl entwickelt, erst unter dem Namen “OpenRIS”, dann als “Ratsinformant”. Ende 2014 bin ich zu dem Projekt gestoßen und habe die Seite erweitert und verbessert. Im Februar 2015 haben wir die Seite dann als München Transparent richtig veröffentlicht. Mittlerweile benutzen sogar Angestellte der Stadt und einige Stadträte München Transparent statt des hauseigenen Systems.4 Mit der Stadt arbeiten wir auch seit längerem gut zusammen, wofür wir sehr dankbar sind.5 Verteilte Zuständigkeiten und langwierige Prozesse machen aber natürlich in der Stadtverwaltung vieles komplizierter machen als bei einem Hobbyprojekt.

Die Startseite von München Transparent Die Startseite des offiziellen münchner Ratsinformationssystems
Die Suche von München Transparent Die Suche des offiziellen münchner Ratsinformationssystems

Links ist München Transparent, recht das offizielle münchner Ratsinformationssystem, jeweils mit Links zu den ensprechenden Seiten.

Beide Projekte nutzen sogenannte Scraper, um die Informationen der offiziellen Seiten auszulesen. Das sind mehr oder weniger kleine Programme, die jede Seite der Oberfläche abrufen, die interessanten Daten extrahieren und die Ergebnisse in einer Datenbank speichern. Aus dieser Datenbank wird dann wiederum die neue Webseite erstellt.

Durch Scraping kommt man zwar an die benötigten Daten, aber eigentlich ist es ziemlich unsinnige Sache: Man steckt viel Arbeit in ein Programm, das im Endeffekt die Datenbank hinter einer Webseite rekonstruiert, in dem es jede Seite dieser Webseite aufruft. Viel einfacher wäre es, wenn man die Daten direkt in maschinenlesbarer Form bekommen könnte, am besten noch für jede Stadt im gleichen Format. Aus diesem Grund ist OParl entstanden. OParl ist eine maschinenlesbare Schnittstelle, die man mit geringem Aufwand in existierende Ratsinformationssysteme einbauen kann. Dazu werden die Daten verschiedener Städte auf eine gemeinsame Darstellung gebracht und es ist festgelegt, wie man diese Daten effizient kopieren kann.

Über München Transparent wurden wir irgendwann auf OParl aufmerksam, dass damals noch eine ziemliche Baustelle mit immer wieder verschobenen Veröffentlichungsterminen war. Da ich eine solche Schnittstelle für München Transparent haben wollte (und weil ich damals noch zu viel Zeit und hatte), fing ich an mih bei OParl zu beteiligen. Im Juli dieses Jahres haben wir die erste Stabile Version 1.0 veröffentlicht, die im Moment von mehreren großen Anbietern in ihre Ratsinformationssysteme eingebaut wird. Politik bei Uns, München Transparent und 21 Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben die Schnittstelle bereits. Eine Version 1.1 mit Fehlerkorrekturen und eine englische Übersetzung sind in Arbeit.

Bei München Transparent haben wir verschiedene Anfragen bekommen, ob wir sowas wie München Transparent denn nicht auch für andere Städte machen könnten, schließlich ist die Oberfläche schon fertig und man bräuchte nur noch die Daten einer anderen Stadt dahinter zu setzen. Leider sind aber viele Teile des Programmcodes und unseres Datenmodells stark auf München angepasst. Dazu kommen andere technische Probleme, so ist das Framework, die technische Grundlage der Webseite, veraltet, und es fehlt an Tests zur Qualitätssicherung und der Code hat sehr viele Altlasten. Unserer Oberfläche schadet das glücklicherweise nicht, aber wir können sie dadurch nicht einfach auf andere Städte übertragen. Außerdem verhindern diese Altlasten langfristig eine vernünftige Weiterentwicklung.

Deshalb hatte ich schon länger die Idee, das ganze mit den bisherigen Erfahrungen komplett neu zu schreiben. Mit einem normalen Alltag hat man nur leider nicht die Zeit dafür, und so blieb das lange nichts als eine schöne Idee. Das hat sich jedoch durch den Prototype Fund geändert. Der Prototype Fund ist eine Initiative der Open Knowledge Foundation Deutschland, bei der sich Projekte um eine Förderung von (damals) bis zu 30.000€ Euro über 6 Monate bewerben können. Das Geld dazu kommt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Bei der zweiten Runde im März 2017 habe ich mich mit der Idee beworben, ein neues nutzerfreundliches Ratsinformationssystem zu entwickeln, Arbeitstitel “Open Source Ratsinformationssystem”. Dieses soll sich im Gegensatz zu München Transparent in ganz Deutschland einsetzen lässt und auf einem soliden technischen Unterbau stehen. Daraus ist mittlerweile das Projekt “Meine Stadt Transparent” geworden, an dem ich zusammen mit Tobias Hößl seit fast vier Monaten arbeite. Darüber, wie es zur Zeit bei dem Projekt steht und was noch geplant ist, werde ich im zweiten Teil schreiben.

  1. Die Zahlen stammen aus der Datenbank von München Transparent 

  2. Es gibt natürlich auch noch andere Projekte, die erfolgreich ihr Ratsinformationssystem bereichern, wie z.B. Dresden Ratsinfo. Ich meine in diesem Fall aber nur solche, die eine weitestgehend vollständige, bürgernutzbare Oberfläche bauen. 

  3. OpenRuhr – offene Daten für das Ruhrgebiet 

  4. In Anträgen und Anfragen wird oft auf andere Dokumente bezug genommen. Dabei wird dann auch gerne München Transparent verlinkt, wie eine Meta-Suche auf München Transparent zeigt. 

  5. Dank eines Stadtratsantrags hat diese Zusammenarbeit auch ein politisches Mandat.